Montag Morgen, 08:00 Uhr. Sie starten gemütlich in den Home Office-Tag mit Kaffee. Wie üblich ist der erste Termin der Woche die Geschäftsleitungssitzung. Als Sie an der Reihe sind Ihren Status abzugeben, richtet sich der CEO einer nationalen Hilfsorganisation mit folgender Aufgabe an sie: Blockchain, Blockchain, da war doch was. Unsere Marktteilnehmer setzen sich mit diesem Zeug bereits seit einiger Zeit auseinander. Müller: Finden sie in dieser Woche heraus, was es mit Blockchain auf sich hat! Eben: Chancen, Risiken, Nutzen und Kosten wie üblich.
Herr Müller – Wie kann eine Blockchain unsere NGO digitalisieren?
Tja, Sie als Herr oder Frau Müller sollten sich nun rasch abseits von Fuzz- und Buzzwords bewegen. Daher besser einen Gedankenschritt zurück und die Technologie von Grund auf richtig verstehen. Es kommen Ihnen folgende Kernfragen in den Sinn:
Was ist die Blockchain oder wie funktioniert sie?
Die Blockchain Technologie ist prinzipiell ein Protokoll, um Informationen auszutauschen und Informationen innerhalb einer Blockchain Datenstruktur (Daten-Blöcke) abzulegen. Daher auch der Name “Block”-“Chain”, was wiederum bedeutet, dass alle die Informationen innerhalb von Blöcken abgelegt werden und die Blöcke verkettet sind. Beispiele dafür sind Informationen, die auf die eigentlichen Nutzdaten (Bilder, Videos, Dokumente) verweisen oder die eigentlichen Nutzdaten wie z.B. Finanz-Transaktionen. Kryptografische Methoden kommen zum Einsatz, um die Unveränderbarkeit der einzelnen Blöcke und deren Verkettung zu gewährleisten. Im Detail wird dazu ein Zahlenrätsel erstellt, welches die Miner (digitale Schürfer) mit ihren Rechenmaschinen zu erraten versuchen. Dieses Rätsel ist entsprechend schwierig und braucht viele Rechenoperation (Proof of Work = Rechenleistung gilt als Massstab der Datenintegrität). Im Gegensatz dazu steht Proof of Stake, das sehr wenig Rechenleistung benötigt aber einen ausgeklügelten Algorithmus, um mit einem Werteinsatz Datenintegratität zu erzeugen.
Findet ein Miner nun die Lösung des Rätsels erhält dieser eine Belohnung und die Kette bekommt einen neuen Block. Diese Basisfunktionalität beschreibt in abstrakter Weise die Blockchain Technologie auf Protokoll-Ebene. Der bekannteste Use Case ist das Blockchain-Bezahlsystem Bitcoin mit der Krypto-Währung namens bitcoin.
Welche Möglichkeiten ergeben sich nun mit der Blockchain-Technologie für Unternehmen?
Konkretes und bekanntestes Beispiel sind Währungssysteme, die z.B. einen dezentral gesteuerten Zahlungsverkehr ermöglichen. Zu unterscheiden sind dabei die eigentlichen Krypto-Währungen und die uns bekannten Währungen, auch FIAT Währungen genannt wie EUR, USD und CHF. Ein weiteres Anwendungsgebiet wäre die digitale Identität, deren Eigenschaften sich mit Blockchain-Technologie unveränderbar speichern bzw. prüfen und bestätigen lassen.
Zu guter Letzt noch ein Beispiel aus dem Bereich der Spendenorganisationen, was für Sie als Herr/Frau Müller relevant ist. Die Schweizer Plattform AIDONIC.io, setzt auf ein Blockchain-basiertes Fund-Raising, dass auch die Hilfsgüterverteilung digitalisiert. Diese digitale Plattform nutzt ein Blockchain-Protokoll um Echtgeldspenden und Güterbezugsrechte in digitale Abbilder umzuwandeln, die sich effizient und transparent abbilden lassen.
Es gäbe noch eine Vielzahl weitere Anwendungsgebiete, aber eines gilt es noch hervorzuheben. Das Blockchain-basierte Ökosystem der Finanzwelt, welches unter dem Fach-Jargon “DeFi” (decentralized finance) seit Juni 2020 bekannt wurde.
Blockchain-basiertes Ökosystem der Finanzwelt = DeFi
Die wichtigsten Teile dieses Ökosystems sind in der folgenden Tabelle aufgelistet und erklärt.
Es lässt sich rasch erkennen, dass das beschriebene DeFi Blockchain-Ökosystem fernab der reinen Blockchain-Technologie liegt. Im Grunde genommen hat sich innerhalb der letzten 5 Jahre vieles in Zusammenhang mit Blockchain-Technologie weiterentwickelt und verschiedene Protokolle haben sich etabliert.
Es gibt auch andere Arten von Ökosystemen, die unterschiedliche Ziele als DeFi verfolgen:
- Gitcoin (Plattform, die Softwareentwickler für Open Source Projekte und Unterstützer / Investoren zusammenführt; gitcoin.co)
- Regen Network (Plattform, um Aktivitäten aufgrund des Klimawandels zu orchestrieren; www.regen.network)
- Etherrisc (Plattform, um digitale Versicherungsprodukte und den Wertschöpfungsprozess eines Versicherungsinstituts über ein Blockchain-System zu ermöglichen; etherisc.com)
Wo liegen nun Chancen und Risiken der Blockchain
Die Chancen und Risiken der Blockchain-Technologie lassen sich mit folgenden Kernaspekten zusammenfassen.
Chancen
- Vereinfachte Zugänglichkeit zu Blockchain-Ökosystemen mittels Mobilgeräten: Die digitale Welt vernetzt sich mit rasanter Geschwindigkeit und der Zugang zu digitalen Diensten am Mobilgerät ist unaufhaltsam. Daher tritt der technologische Aspekt Blockchain in den Hintergrund und der eigentliche Nutzen und Mehrwert in den Vordergrund.
- Datenintegrität und Nachvollziehbarkeit: Die erhöhte Datenintegrität der Blockchain-Technologie macht diese zu einem unveränderbaren und allgemein gültigen Datenaufbewahrungsplatz und/oder Datenregister. Die Nachvollziehbarkeit des Informationsaustausches liefert zudem jene Transparenz, um rechtlichen Erfordernissen Genüge zu tun.
- Gestärktes Vertrauen in ein dezentral verwaltetes System: Die Dezentralisierung der Blockchain ermöglicht die Unabhängigkeit der Ökosystem-Teilnehmer untereinander durch Schaffen von klaren Regeln und Richtlinien, wie das Ökosystem betrieben und weiterentwickelt wird. Diese Regeln und Richtlinien lassen sich als digitale Governance mittels Blockchain-Technologie abbilden (Stichwort: DAO = dezentrale autonome Organisation).
Risiken
- Die Entwicklung der nationalen und internationalen Gesetzgebung steht im möglichen Gegensatz zum technologischen Fortschritt der Blockchain-Technologie. Für entsprechende Anpassungen bestehender Gesetze oder die Verabschiedung neuer sog. Blockchain-/DLT-Gesetze können Jahre vergehen, bis diese in Kraft treten. Hinzu kommt die Einhaltung von speziellen Compliance-Regeln in diversen Branchen, die sich komplex gestaltet.
- Die Gestaltung des Datenschutzes steht im technologischen Widerspruch zu der Grundfunktion der Unveränderbarkeit (Recht zum Löschen) eines Blockchain-Protokolls.
- Smart Contracts als klassische „Applikationen“ innerhalb einer Blockchain können Fehler (Bugs) beinhalten, die schlaue Hacker ausnützen, um z. B. illegale Werttransaktionen durchzuführen oder Eigentumsverhältnisse zu manipulieren. Die darunter liegenden Blockchain-Protokolle und Datenstrukturen sind hingegen zumeist sicher und nur extrem aufwändig bis gar nicht manipulierbar.
Fazit: In Summe konnten Sie als Herr oder Frau Müller Einblick in die Thematik Blockchain und in konkrete Anwendungsfälle erhalten. Beispielsweise zeigt der Umfang des Blockchain-Ökosystems der Finanzwelt (DeFi) eindrücklich, wie rasant Applikationen und Dienste auf der Blockchain-Technologie Fuss fassen. Im Umfeld der NGOs macht das Unternehmen AIDONIC mit seiner Blockchain-basierten Plattform einen zielgerichteten Vorstoss hinsichtlich der Digitalisierung im Hilfsorganisations- und Spendenbereich. Schlussendlich leiten Sie als Herr oder Frau Müller folgende Massnahmen und Empfehlungen für die nächste Geschäftsleitungssitzung ihres NGO-Unternehmens ab:
- Sie legen ihren Fokus auf die Spenderseite durch ein vereinfachtes Fundraising. Das dahinterliegende Blockchain-System gilt es daraufhin zu evaluieren, wie eine solche Vereinfachung konkret gestaltet werden kann und welche Blockchain-Mechanismen zielführend sind.
- Sie schlagen vor, mit der Skizzierung eines eigenen Token/Coin-Ökosystems zu beginnen. Dazu zählt auch entsprechende Business Cases zu entwickeln, unter Anwendung von wertbehafteten Transaktionen (Spenden, Realgüter) und der Gestaltung von Vergütungs- und Gebührenmodellen. Vielleicht ist das der Schlüssel, um mit Blockchain-Technologie die Digitalisierung ihres Geschäftsumfelds nicht nur einen, sondern gleich mehrere Schritte voranzubringen?
Das Thema Blockchain-basierte Ökosysteme wird nicht nur Finanz- und NGO-Unternehmen noch weitere Jahre beschäftigen. Vermutlich wird der eigentliche Begriff Blockchain in den Hintergrund geraten. Denken Sie an die Zeiten der Anfänge des Internets. Wenige sprechen heute noch von Ethernet-, TCP- oder IP-Protokollen in Zusammenhang mit Onlinebanking, Mobile Apps, E-/M-Commerce und unserem modernen Digital-Lifestyle. Analog dessen könnte sich die Blockchain-Technologie weiterentwickeln, bei modernen digitalen Diensten einfach „eingebaut“ sein und als grundlegende Enabler-Technologie die Wege der Zukunft bereiten.
Autor
Dietmar Hafner, Senior Consultant bei Alcedo & Più AG. Mit mehr als 15 Jahren Erfahrung in der Informationstechnologie konnte er in verschiedenen Branchen bei Projekten und Produkten seinen Mehrwert einbringen. Er besitzt ein breit gefächertes Beraterprofil, angefangen bei Softwareentwicklung und Architektur bis hin zur speziellen Technologieberatung zu den Themen Blockchain, Mining, DLT, Kryptowährungen und DeFi.